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Thursday, September 07, 2006

Das Glueck liegt auf der Strasse

Das Glück liegt auf der Straße. Ich habe es aufgehoben, an meiner Jeans abgewischt und in die Tasche gesteckt. Unscheinbar lag es da, getreten von tausenden von Menschen, die in unserer hektischen Welt schon auf es gestiegen sind. Aufgequollen vom Regen, gebleicht von der Sonne und mürbe von Staub und Dreck, die sich wie eine Kruste um es gelegt hatten. Ein wenig glänzte es noch, doch nur mit wachen Augen konnte man das noch erkennen.
Nun hatte ich das Glück in der Tasche und freute mich. Was ich nicht alles damit machen könnte und wozu es mir verhälfe. Erfolgreich will ich sein, Karriere machen, reich werden, Doch dazu reicht das Glück alleine nicht aus. Es kostet Zeit und Zeit ist kostbar, denn Zeit ist Geld. Nur schade, dass man dann mit all dem Geld die Zeit nicht zurückkaufen kann, die man in das Geld investiert hat. Nein, die Zeit ist mir kostbarer als Geld, die entspannten Spaziergänge in der Natur, weit weg von der Hektik oder das bloße dasitzen in Mitten des Großstadtgetümmels, die gestressten Leute beobachtend und dabei selbst völlig ruhig zu sein.
Schön will ich sein, gut aussehen, begehrt werden. Doch auch dazu reicht das Glück alleine nicht aus. Schönheit ist viel mehr als nur Fassade, naturgegeben, subjektiv. Schönheit liegt im Auge des Betrachters und im Wesen der Betrachteten. Begehrt zu werden ist nur eine Folge davon. Natürlich kann man dem Aussehen auf die Sprünge oder besser Kurven, Muskeln und Straffheit helfen, doch das kostet wieder Geld und somit die Zeit, die mir so kostbar ist und an der ich meine Freude habe. Nein, schön will ich nur sein für die, die Schönheit in und an mir sehen. Viel zu sehr erfreue ich mich an meinen Makeln, die Muttermale, die meine Haut so unverwechselbar machen, die Lachfältchen an den Augen die zeigen, dass ich ein fröhlicher Mensch bin, mein unzähmbares Haar und meine eckigen Füße, die es nicht zulassen, dass ich sie in zierliche Sandalen zwänge und mich somit vor unangenehmen Blasen bewahren.
Klug will ich sein, wie Einstein, alles wissen, alles können. Doch dazu reicht das Glück bei weitem nicht aus. Das Glück ist mit den Dummen und die Klugen sind auch nicht intelligenter, wie Faust schon meinte: „das steh ich nun ich armer Tor und bin so klug als wie zuvor“. Nein, noch intelligenter muss ich nicht sein, ich bin intelligent genug und das Leben selbst macht mich klüger. Glück braucht es hierbei nicht, nur im Leben allgemein, hier und da wieder etwas davon. Doch so viel wie ich in der Tasche habe?
Ich mische mich unter die Menschenmenge, das Glück halte ich in meiner Tasche fest. In schnellen Schritten ziehe ich mit den Leuten mit, die da laufen und sehe mich um. Ich weiß genau, was ich jetzt tue, gehört sich nicht, doch jeder macht es. Deshalb fühle ich eine leichte Anspannung und die Blicke der gerade noch so anonymen Masse. Eine fast kindliche Verstohlenheit macht sich breit, eine Erwartung, dass irgendwer aus der Masse sogleich heraustreten und mich rügen würde. Ich packe das Glück, laufe unauffällig weiter und ziehe es mit der Hand langsam aus der Tasche, ganz langsam. Und mit einer kurzen Bewegung treiben meine Finger es aus der Tasche wie ein Bonbonpapier oder ein benutztes Taschentuch. Es segelt auf den Boden und ich warte eine Sekunde bis sich alle Anspannung löst, denn keiner hat es bemerkt, dass ich das Glück einfach so weggeworfen habe auf die Straße. Oder es hat einfach keinen interessiert. Freude kommt in mir auf, etwas getan zu haben, was sich nicht gehört und keiner hat es bemerkt. Mit verschmitztem Lächeln drehe ich mich ein paar Schritte weiter kurz um, mich sicher vom Ort des Geschehens entfernt zu wissen. Da liegt es nun wieder auf der Straße, das Glück. Sein Glanz von hier aus gar nicht mehr erkennbar und alle Leute laufen über es hinweg und treten darauf, in der Hektik geht es unbeachtet unter. Und ich freue mich, denn ich habe Zeit, um mich zu freuen und festzustellen, dass ich auch so oder gerade deswegen ein glücklicher Mensch bin.

Annette Schweinzer 11.05.06, 17.10 Uhr

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